Meinungen

Filmkritik: Für Verrisse bleibt keine Zeit

Am Rande der Solothurner Filmtage gaben die beiden SRF-Filmexperten Michael Sennhauser und Erich Facon Einblicke in ihre Arbeit. Warum sich Kritik und Film gegenseitig bedingen und warum für Verrisse keine Zeit bleibt, erfährst du hier.

Die Solothurner Filmtage boten den perfekten Rahmen, um das Verhältnis von Kritikern, Filmern und Publikum zu durchleuchten. Denn was viele nicht wissen: Die Solothurner Filmtage wurden in den Sechzigerjahren quasi als «Selbsthilfemassnahme» von jungen Filmemachern und Journalisten gegründet, weil sich diese von den Kultur-Kritikern ignoriert fühlten. Die Filmtage sollten ihnen dabei helfen, endlich wahr- und ernstgenommen zu werden.

Fast fünfzig Jahre später hat sich die Schweizer Filmlandschaft zu einer professionellen Branche entwickelt. Film-Agenturen betreiben intensiv Öffentlichkeitsarbeit und buhlen um Fördergelder. Deshalb ist es für Filmjournalisten umso wichtiger geworden, Distanz zu wahren und unabhängig zu bleiben. Filmexperte Sennhauser gesteht aber ein, dass diese Unabhängigkeit auch ein Stück weit Illusion sei. Dafür ist die Szene schlichtwegs zu klein – man kennt sich.

Tourist statt Filmexperte

Diese zuweilen heikle Nähe zwischen Filmjournalisten und Filmeschaffenden zu umschiffen, ist einer der Gründe, wieso Kulturjournalist Erich Facon mit seiner Sendung «Kultur-Stammtisch» (samstags, 13.33 Uhr, Radio SRF 4 News) bewusst einen anderen Zugang zum Kulturjournalismus sucht. Die Gäste seiner Sendung sind deshalb keine Experten für das behandelte Thema. «Was ich wollte», so Facon, «sind gewöhnliche Menschen, die versuchen, auf ehrliche Art über Kultur zu sprechen.» Auch sieht er sich selber an Branchentreffen wie den Solothurner Filmtagen eher als «Tourist» denn als «Kulturjournalist». So wolle er sich die Rolle des «interessierten Laien» erhalten.

Lohnt sich der Gang ins Kino?

Auch Michael Sennhauser sieht sich selber nicht als «Filmkritiker» per se. Natürlich sei es wichtig, eine Meinung zu haben, doch die eigentliche Arbeit bestehe nicht aus Rezensieren, sondern im Vermitteln von Hintergründen. Kritik mache nur etwa zehn Prozent seiner Arbeit aus. Wenn er einen Film bespricht, versucht er, diesen mit den Augen des Zielpublikums zu sehen. Bekommt der Zuschauer, was er erwartet hat? Das ist seine zentrale Frage.

Verrisse gebe es im Übrigen nur selten, dafür fehle schlicht die Zeit. Wenn man pro Woche maximal vier Filme besprechen könne, führe dies zwangsläufig zu einer «positiven Auswahl». Das heisst: Man beschränkt sich auf Filme, die den Gang ins Kino auch wirklich wert sind.

Selbst auf den Regiestuhl zu wechseln, können sich Sennhauser und Facon übrigens nicht vorstellen. Erstens sei das in der Schweizer Filmszene beinahe «suizidal» und zweitens, fügen sie mit einem Augenzwinkern an, wüssten sie nur zu gut, was für ein hartes Pflaster das Schweizer Filmgeschäft ist.


Das Podium im Rahmen der Solothurner Filmtage wurde von der SRG Deutschschweiz organisiert.


Text: Oliver Fuchs / jr
Bild: Eric Facon (links) und Michael Sennhauser (mit Mikrofon; copyright Thomas Züger)

Tags: filme filmkritik solothurnerfilmtage

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