Postproduktion – was nach der letzten Klappe passiert

«Der Läufer» ist das Spielfilmdebüt von Regisseur Hannes Baumgartner, das im Oktober 2018 in den Deutschschweizer Kinos erschienen ist. Wie bei jedem Film nahm die Postproduktion dabei viel Zeit in Anspruch - obwohl der Film ohne Filmmusik auskommt.

Im Rahmen der Solothurner Filmtage zeigte die SRG.D den Film «Der Läufer» - ein fiktionaler Film mit realer Vorlage. Er basiert auf einem Kriminalfall, der zu Beginn der Nullerjahre die Stadt Bern in Atem hielt.

Anschliessend an die Filmvorführung fand ein Podiumsgespräch zum Thema Postproduktion statt. An diesem nahmen Hannes Baumgartner (Regisseur «Der Läufer»), Stefan Eichenberger (Produzent Contrastfilm) und Jakob Nägeli (Editor und Teamleiter Postproduction tpc) teil.

50 Minuten Film - 23 Tage Postproduktion

Die letzte Szene abgedreht und fertig ist der Film? Nein. Denn nach dem letzten Drehtag startet die Postproduktion, die heutzutage einen grossen Teil einer Filmproduktion ausmacht. Unter Postproduktion versteht man die gesamte Nachbereitung, die benötigt wird, bis aus dem Rohmaterial ein fertiger Film entsteht. Das bedeutet: Schnitt, Farbkorrektur, Sounddesign etc. Je nach Genre gestaltet sich die Postproduktion anders. Eichenberger betont: «Es wäre für einen Kino-Editor schwierig, eine Fernsehdok zu schneiden und umgekehrt. Das ist ein völlig anderer Beruf.»

Auch der zeitliche Aufwand für die Postproduktion ist von Film zu Film anders. Für einen 50-minütigen Dok-Film nennt Nägeli die Faustregel von siebzehn Tagen Schnitt, zwei bis drei Tagen Grading (Farbkorrektur) und zwei bis drei Tagen Vertonung. Bei «Der Läufer» dauerte die Postproduktion der Tonebene alleine drei Monate. Klar, ein Dok-Film ist wesentlich kürzer als ein Spielfilm, trotzdem ist die Diskrepanz beachtlich: Zwei bis drei Tage oder drei Monate für den selben Arbeitsschritt.

Die Tonebene

Drei Monate benötigten die Sounddesigner für die Tonebene von «Der Läufer». Als Vergleich: Die Aufnahmen für den Debütfilm von Hannes Baumgartner dauerten sechs Wochen. Bei «Der Läufer» wurde auf den Einsatz von Filmmusik verzichtet. «Das Thema ist sehr heikel», so Regisseur Hannes Baumgartner. «Wir wollten die Emotionen nicht aussteuern, sondern die Nüchternheit spürbar machen». Was wurde also während diesen drei Monaten gemacht? Geräusche.

«Unsere Tonebene funktioniert tatsächlich nur mit Geräuschen», meint Eichenberger. Doch auch diese sind mit einem enormen Arbeitsaufwand verbunden. So wurden beispielsweise bei der separaten Tonaufnahme einer Laufszene die falschen Schuhe getragen. Das getragene Paar habe beim Rennen nicht richtig geklungen. Das hatte zur Folge, dass die Geräusche der Schuhe und des Untergrunds beim Gehen nochmals Schritt für Schritt aufgenommen werden mussten.

Auch andere Geräusche wie das Umblättern einer Zeitung wurden separat aufgezeichnet. Das ist sehr zeitaufwändig, aber auf diese Weise können die Geräusche einzeln bearbeitet und geregelt werden. Sind alle Geräusche im Kasten, geht es in die Mischung. Dort werden die Töne und Geräusche in das richtige Lautstärken-Verhältnis gebracht.

Berufe im Wandel

Bei der SRG-Tochter tpc arbeiten in der Abteilung «Kultur und Unterhaltung» knapp sechzig Personen in der Postproduktion, einige davon sind festangestellt, andere freischaffend. Das Team setzt sich aus etwa vierzig Editor/innen, zwölf Leuten für die Vertonung und etwa neun Personen, die für das Grading zuständig sind, zusammen. Während es früher viele Quereinsteiger/innen in die Branche gab, kommen heute die meisten Editoren/innen von Filmschulen. Nicht nur der berufliche Werdegang der Fachkräfte - auch die technische Infrastruktur und der Beruf selbst haben sich in den vergangenen Jahren verändert.

Das betrifft nicht nur die Postproduktion, sondern auch die vorgängige Arbeit. Mittlerweile gäbe es Reporter, die alles selber machen, meint Nägeli weiter. Ursachen für diese Veränderungen können neben dem technischen Fortschritt auch finanzieller Natur sein. Denn Filmemachen ist aufwändig und teuer - wie aufwändig wird einem erst bewusst, wenn im Abspann alle Namen der Beteiligten über den Bildschirm flitzen. Alle diese Namen möchten natürlich auch für ihre Arbeit bezahlt werden. So kommt es, dass «Der Läufer» ungefähr zwei Millionen Franken gekostet hat. Viel Geld - bedenkt man aber, dass davon sowohl die 40 Crewmitglieder, die Postproduktion, die Vermarktung und nicht zu guter Letzt die Schauspieler bezahlt werden, relativiert sich der Betrag schnell. Die Schauspieler werden übrigens pro Drehtag ausbezahlt. Dabei nennt Eichenberger einen Richtwert von 1000 bis 4000 Franken pro Drehtag. Bei diesem Betrag ist aber die ganze Vorbereitung einkalkuliert - und diese kann sehr aufwändig sein. Als Beispiel: Max Hubacher hat sich für die Hauptrolle von «Der Läufer» (Jonas Widmer) ein Jahr lang vorbereitet.

Neugierig auf den Film geworden? Dann schau dir den Trailer von «Der Läufer» an.

Text: Luca Passerini
Fotos: Contrast Film
Trailer: Contrast Film

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