Service public

Musikauswahl im Radio: Ein Spiel mit den Emotionen

Welches Musikstück wann über einen Sender geht, ist nicht reiner Zufall, sondern unterliegt einer ausgeklügelten Strategie. Zwischen den privaten und den öffentlichen Sendern gibt es dabei einen wesentlichen Unterschied: Der Service public, der das Musikprogramm der SRF-Sender beeinflusst. Wie aber sieht dieser Einfluss konkret aus?

Es ist ein Seiltanz in schwindelerregender Höhe. Die Musikprogrammierung der Radiosender ist nicht einfach, denn die Zuhörerinnen und Zuhörer können bei jedem neuen Lied, das ihnen nicht passt, den Sender ausschalten oder wechseln. Nichts bewegt schliesslich so stark wie die Musik. Deren Programmierung ist für die Radiomacher jedoch ein sachlicher Entscheidungsprozess aus Algorithmen und Abläufen, der einer Gratwanderung gleich kommt und der am Empfinden des Publikums scheitern kann. «Die absolute Zufriedenheit aller Hörerinnen und Hörer kann es nicht geben, ausser das Publikum wäre sehr homogen oder sehr klein», sagt Michael Schuler, Leiter der Fachredaktion Musik (Rock/Pop) bei SRF. Denn egal wie ausgeklügelt die Musikauswahl ausfällt – man kann es nie allen recht machen.

Die Hörerzufriedenheit ist das Nonplusultra

Für die privaten Radiosender in der Schweiz ist die Zuhörerzufriedenheit das wichtigste Gut, besonders für die kommerziellen Sender. «Je mehr Hörer ein Privatsender hat, desto interessanter ist er für die Werbewirtschaft. Davon hängt wiederum das Überleben des Senders ab», sagt Daniel Steigmeier, Musikredaktor des Zentralschweizer Privatsenders Radio Sunshine. Besonders wichtig sei es, dass ein Radio seinem Profil treu bleibt. «Der Hörer muss die Station als seinen Sender stets wiedererkennen», so Steigmeier weiter. Deshalb sollten sich die verschiedenen Sender in einem Sendegebiet voneinander abheben.

...auch bei SRF

Bei den Radiostationen von SRF sieht es bezüglich der Hörerzufriedenheit nicht anders aus. Sie steht an oberster Stelle. Die öffentlichen Sender können erst recht durch die Tatsache, dass sie gebührenfinanziert sind, die Zufriedenheit der Hörer nicht aussen vor lassen. Michael Schuler ist seit sieben Jahren Leiter der Fachredaktion Musik und weiss, welche Strategie verfolgt werden muss. Gefragt ist ein überzeugender Mix aus Altbekanntem und neuen Geheimtipps. «Mit besonderen Titeln als Überraschung probieren wir immer wieder die gesteigerte Form der Zufriedenheit – die Genugtuung – zu erreichen.»

Während die privaten Sender jedoch ihre Profilbezogenheit besonders beachten müssen, haben die öffentlichen Sender einen entscheidenden Vorteil: Ist ein Zuhörer nicht zufrieden mit dem einen Programm von SRF kann er einfach auf einen anderen hauseigenen Sender wechseln. Die Vielfalt der einzelnen SRF-Radiosender ist schliesslich gross und deckt die Vorlieben vieler ab. Ein Vorteil also für die öffentlichen Sender? Nicht zwingend, denn: «Die privaten Sender positionieren sich durch ihren lokalen Bezug stärker im Markt», betont Michael Schuler. Und da kommt das Zauberwort ins Spiel: Service public.

Service public – Der kleine aber feine Unterschied

Der Service public ist der Grund dafür, weshalb es ein SRF 1, 2, 3, 4 News, Musikwelle und Virus gibt und wieso es diesen Sendern möglich ist, anspruchsvolle Programminhalte, die oft auch aufwändig und kostenintensiv sind, zu präsentieren. Es ist nicht ihr Recht, sondern ihre Pflicht, Herr und Frau Schweizer vielseitig zu informieren und zu bilden. So auch, was die Musik angeht.

Die Schwierigkeit dabei ist es, den Hörer nicht zu verstimmen und ihn nicht mit neuer Musik zu überrollen, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Ihn zufrieden zu stellen und gleichzeitig Neues vorzustellen, ist eine Herausforderung. «Gemäss Konzession sind wir verpflichtet, das nationale Musikschaffen kontinuierlich zu fördern. Auch das müssen private Anbieter nicht, dürfen aber», sagt Michael Schuler mit einem Augenzwinkern. So spielt jeder Sender, ob privat oder öffentlich, seine Stärken aus und versucht im Spiel mit der Musikprogrammierung die Hörerinnen und Hörer zufrieden zu stellen.


Text: Marceline Iten
Bild: Thomas Züger

Tags: musik musikredaktor

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