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«DOK»: Game Over – Im Sog der Computerspielsucht

Der mittlerweile 30-jährige Liby hat sich schon vor der Coronakrise sozusagen freiwillig in Quarantäne begeben. Aufgrund seiner Computerspielsucht hat er sich während zehn Jahren fast vollständig abgekapselt. Aber was macht eine solche Isolation mit einem Menschen? Und ist diese Onlineabhängigkeit überhaupt heilbar? Im «DOK» versucht Liby sich über die Ursachen und Folgen seiner Gamesucht klar zu werden.

Liby sitzt mit Kopfhörern vor dem Bildschirm, um ihn herum ist es dunkel

Gescheitert beim Berufseinstieg oder an anderen Hindernissen im Leben verbarrikadieren sich unzählige, zumeist jugendliche Männer im digitalen Universum von Computerspielen. Gamesucht ist eine schleichende Krankheit. Wer darunter leidet, versucht dies zu verbergen. Nicht zuletzt vor sich selbst.

Gamen während 20 Stunden am Tag

So einzigartig Libys persönliche Suchtgeschichte ist, so symptomatisch sind doch die Folgen seiner Krankheit. Fast zehn Jahre lang war Liby bis zu zwanzig Stunden täglich am Gamen. Zuletzt konnte er sich praktisch nicht mehr bewegen und war kaum noch zu realem zwischenmenschlichem Kontakt fähig.

Ich habe mich mehr und mehr ins Gamen geflüchtet. Und je mehr ich mich abgeschottet habe, desto fremder bin ich mir vorgekommen.

Liby, Gamesüchtiger

Verwahrlosung vor dem Computer

Schon während seiner schwierigen Kindheit und Jugend hatte sich Liby von der Welt zunehmend abgekapselt. Vom dominierenden Vater erfuhr er keinerlei Wertschätzung, in der Familie fühlte er sich stark isoliert. Nach der Ausbildung brachen weitere soziale Beziehungen ab und das Gamen am Computer wurde immer intensiver. Der 20-Jährige vegetierte in einem vom Sozialamt finanzierten Zimmer vor sich hin. Er ernährte sich von Chips und Cola, wusch sich kaum noch, wog fast 150 Kilogramm und machte wochenlang keinen Schritt mehr vor die Tür.

Mein richtiges Ich gab es damals eigentlich nicht mehr. Ich war gewissermassen die Spielfigur.

Liby, Gamesüchtiger

Entzug auf dem Bauernhof

Dank eines Familienplatzes im «Projekt Alp» kam Liby zu einer sechsköpfigen Bauernfamilie im Berner Oberland und hatte schlagartig keinen Zugang mehr zu seinen Onlinegeräten. Dieser radikale Entzug machte Abgründe sichtbar: Sozial war er auf der Stufe eines überforderten Kindes stehen geblieben und auch körperlich besass er kaum noch Ressourcen. In den kommenden Jahren musste Liby alle Verhaltens- und Bewegungsregeln neu erlernen.

Wie sagt man jemandem Hallo, wann gibt man jemandem die Hand, all diese Dinge musste ich ganz neu lernen.

Liby, Gamesüchtiger

Besonders eine Fähigkeit hatte er durch die Belohnungs- und Beschallungsüberflutung im Gamer-Universum fast vollständig verlernt: die Möglichkeit, ein Gefühl für sich selbst und Empathie für seine Umgebung zu empfinden.

Liby hat einen besonders weiten Weg in die soziale Isolation und wieder zurück hinter sich. Und er ist noch immer nicht am Ende seiner Reise.


Schau dir jetzt den Dokumentarfilm an:


Text: SRF
Bild: SRF

Tags: Dokumentation games programmtipp srfdok

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