«Ob Ohrfeige oder Lob – die Kritik kommt sofort»

Arbeiten zwischen Twitter und Mikrofon: Welchen Einfluss die Digitalisierung auf die Arbeit eines Radiomoderators hat, erzählt SRF 3-Moderator und Moderationsleiter Mario Torriani.

«Während dem Zähneputzen am Morgen scrolle ich durch Twitter – früher habe ich die Zeitung aus dem Briefkasten geholt. Bevor ich im Studio bin, weiss ich, was die Welt momentan bewegt und was über Nacht passiert ist. Es ist wichtig, den ‹Social Buzz› zu spüren und zu wissen, was ge­rade Thema ist.

Wenn ich in der Redaktion ankomme, werden die geplanten Sendungsinhalte mit den Social-Media-Kanälen abgeglichen. Natürlich informieren wir uns immer noch via Zeitungen oder TV. Aber Radio ist wie all diese Kanäle ein Echtzeitmedium mit demselben Takt. Warum ich während der laufenden Sendung am Handy bin? Das gehört jetzt einfach zu unserer Arbeit dazu. Die Webredaktion und interne Social-Media-Experten haben uns in Schulungen gebrieft damit wir gewisse Tools richtig nutzen, korrekt publizieren, recherchieren und Quellen verifizieren.

Personality ist wichtig

Es gab einige kritische Stimmen, als wir neue Kommunikationskanäle zu nutzen anfingen. Aber wir sind ja alles neugierige Journalisten. Neue Geräte und Kanäle zu entdecken, das liebe ich. Die Arbeit mit sozialen Medien ist fix in unseren Workflows verankert und auf jedem Kanal haben wir eine bestimmte Sprache festgelegt. Personality ist uns wichtig. Das heisst, Posts gehen mit den Namen der Moderatoren raus und haben mit deren Sendung etwas zu tun. Manchmal schreiben wir sie selber oder die Webredaktion schlägt einen Post vor. Niemand muss in seinem Namen etwas posten, das er nicht will.

Manche sagen, die Magie des Radio­machens sei durch die Digitalisierung ver­­­loren gegangen, da man uns via Live­stream und am TV zuschauen kann. Ich habe damit kein Problem. Hörer können uns beim Arbeiten zuschauen, ein wenig nachspionieren, zusehen im Interview mit Künstlern. Die Beziehung zum Hörer ist direkter geworden. Früher hat man die Faust im Sack gemacht, wenn einem etwas nicht gepasst hat, heute schreibt man dem Moderator.

Kritik kommt sofort

Alles, was direkter ist, ist auch ehrlicher. Egal ob Ohrfeige oder Lob, die Kritik kommt sofort. Wenn jemand während der laufenden Sendung auf Social Media der ganzen Welt schreibt, wie schlecht er dich gerade findet, kann das runterziehen. Da ist es gut, dass wir Moderatoren nicht alleine sind, sondern zusammen mit einem Produzenten und einem Webredaktor. Man darf solches ­Feedback aber nicht überbewerten. Online schreibt man schnell etwas, überlegt vielleicht erst nachher, ob das was Intelligentes war.

Auf Fragen antworten wir aber immer. Und gegen Beleidigungen oder Drohungen gehen wir vor. Dafür haben wir einen Rechtsdienst. Wir entfernen auch Posts, die nicht unseren publizistischen Leitlinien entsprechen. Kritik lassen wir aber stehen.

Keine Sorge um das Radio

Fotos von meinem Essen zu posten, ist nicht mein Ding. Moderieren von meinem Zuhause aus beispielsweise ist für mich aber kein Problem. Die Grenze ist da, wo wir in Privatsphären anderer eindringen, die nicht mitentscheiden ­können.

Ich mache mir keine Sorgen, dass das Medium Radio wegen der Digitalisierung wegfallen könnte. Laut den Zahlen hören uns die meisten immer noch via Radio. Auch die App nutzen die Leute vor allem zum Zuhören und via Live-Stream zum Zuschauen. Die klassischen Radiohörer bekommen dank unseren Online-Inhalten zusätzliche Infos. Diejenigen, die nicht mit dem Radio gross geworden sind, hören dank Website, Facebook und Co. vielleicht plötzlich Inhalte wie den Festivalsommer. Wir können durch die Digitalisierung nur gewinnen.»

Text: Zusammengefasst von Olivia Gähwiler/lc
Bild: SRF / Oscar Alessio

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