Behind the Scenes

«Was macht eigentlich...» eine Linguistin bei RTR?

Anna-Alice Dazzi ist als «Hauslinguistin» bei RTR dafür verantwortlich, dass die sprachliche und linguistische Qualität auf allen Kanälen stimmt. Was vielleicht nach regulärer Arbeit klingt, ist es überhaupt nicht. Rumantsch Grischun, die Sprache in der die Programme von RTR gesendet werden, ist nämlich gerade mal 40 Jahre alt. Da lässt sich also noch so einiges entdecken.

Anna-Alice Dazzi, ist studierte Romanistin und beschäftigte sich schon während ihres Studiums in Zürich ausführlich mit ihrer rätoromanischen Muttersprache. Sie erzählt von «ihrer Sprache» wie von einem verborgenen Schatz. Beneidenswert, wenn wir uns überlegen, dass unsereins «nur» einen Dialekt spricht, während das Rätoromanische als richtige Sprache angesehen wird.

Eine junge Sprache

Ganz wichtig sei, dass man zwischen dem Rumantsch Grischun – also wortwörtlich übersetzt, dem Bünder Romanisch – und dem Bündnerromanisch unterscheide, sagt Anna-Alice Dazzi. Warum? «Das Rumantsch Grischun ist die allgemeine Schrift- bzw. Amtsschriftsprache, die erst in den 1970er- und 80er Jahren entwickelt worden ist». Somit ist diese Sprache tatsächlich erst maximal 40 Jahre alt? «Ja, gewissermassen schon», doch fügt Dazzi gleich an, «dass in den romanischen Gemeinden trotzdem meist nach wie vor das jeweilige Idiom* gesprochen wird und diese künstliche Normsprache auch die Meinungen spaltet.»

Neue Wörter kreieren

«Jede Sprache ist hybrid und ständig in Bewegung», meint Anna-Alice Dazzi. Das heisst jeder Wortschatz entwickelt sich weiter und muss sich aktuellen Kommunikationsbedürfnissen anpassen, denn auch die Bündner Jugend benutzt neue Trendwörter. Nebst dem englischen Einfluss, sind überwiegend Einflüsse des Deutschen bemerkbar. Mit diesen Herausforderungen ist Anna-Alice Dazzi als Linguistin bei RTR tagtäglich konfrontiert. So befindet sich das Rätoromanische im ständigen Spannungsfeld zwischen der Erhaltung einer möglichst reinen Sprache und der Integration neuer Elemente. Täglich müssen im Bereich der Sprachstandardisierung – also des Rumantsch Grischun – neue Wörter kreiert werden, die es als solche einfach noch nicht gab. Anschliessend werden diese im Sprachregister «Pledari Grond» gesammelt. Diese linguistische Datenbank der Lia Rumantscha, wird täglich mit neuen Einträgen gefüttert – mittlerweile sind es schon über 220'000 Einträge.

«Googlar»?

Neue Wörter zu bilden, klingt im ersten Moment fast etwas willkürlich. Jedoch muss die Wortbildung im Rumantsch Grischun auf der Basis schon vorhandener sprachlicher Mittel erzeugt werden, erklärt Dazzi. So kommt es, dass auch mal gefragt wird, ob man nun «googlar» für «googlen» in der Abendsendung benutzen darf. Anna-Alice Dazzi ist für die sprachliche und linguistische Qualität aller Sendungen von RTR verantwortlich. Sie unterstützt und «schult» die Redaktionen im Haus und ist für sprachliche Fragen, Herausforderungen und Belange zuständig. Wichtig dabei: Sie muss immer die Varietäten der rätoromanischen Idiome im Blick haben. Schliesslich will sich diese Sprache zwar modern und zeitgemäss, aber auch authentisch präsentieren. «Das Rätoromanische als Kleinsprache ohne sprachliches Hinterland kann nicht auf Modelle aus anderen Ländern der gleichen Sprache zurückgreifen. Darum müssen das Haus fast jeden Tag neue Wörter für Beiträge über neue Themenbereiche bilden und teilweise auch neue Sprachregister, wie die News-, Jugend- oder Sportsprache entwickeln.»

* Anna-Alice Dazzi wuchs im Unterengadin auf. Dort spricht man «Vallader», eines der fünf Idiome des Rätoromanischen: Puter, Vallader, Surmiran, Sutsilvan und Sursilvan.


Catrina Sonderegger (31) absolvierte ein Nachdiplomstudium in «Curating» an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Nebst dem, dass sie Ausstellungen auf der Kunstplattform TART konzipiert und umsetzt, ist sie Kunstvermittlerin am Fotomuseum Winterthur und schreibt allerhand Texte über Kunst, Kultur und Lifestyle.


Text: Catrina Sonderegger
Bild: RTR

Tags: raetoromanen rtr sprachregionen wasmachteigentlich

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