Behind the Scenes

«Nachgefragt»: Wie entsteht ein Hörfilm?

Blinde und Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen können nicht einfach den Fernseher einschalten und drauflos schauen. Aber: Sie haben die Möglichkeit einen Film zu hören. Durch einen Hörfilm werden für sie somit auch Szenen ohne Dialog hörbar. Aber was ist so ein Hörfilm überhaupt genau und wie entsteht er?

Ein Film ist für viele Menschen etwas sehr visuelles. Der Fernseher wird eingeschaltet, die Schauspieler sprechen ihre Dialoge und das Bild macht das Ganze komplett. Aber wie ist es, wenn man nicht oder nur sehr begrenzt sehen kann? Genau für diese etwa 325‘000 Sehbehinderten und Blinden in der Schweiz gibt es Hörfilme. «Ein Hörfilm ist ein Film mit einer Audiodeskription. Das heisst, dass der Film in Ergänzung zu den Dialogen, mit Bildbeschreibungen versehen wird», erklärt Stefan Hoffmann, Verantwortlicher Audiodeskription bei SRF. Das Ziel hinter so einer Audiodeskription ist es, den blinden und sehbehinderten Fernsehteilnehmern ein barrierefreies Filmerlebnis zu ermöglichen. Dieses soll so gut wie möglich dem Erlebnis des Sehenden entsprechen. Insgesamt produziert SRF jährlich zwölf Schweizer Filme und Serien. Zusätzlich werden noch mindestens zwölf Hörfilme aus anderen deutschsprachigen Ländern gesendet. Diese, in Absprache mit den Blinden- und Sehbehinderten-Verbänden festgelegte Quote, wird allein schon durch die Übernahme sämtlicher «Tatort»-Folgen von ARD und ORF weit übertroffen.

Das Beschreiberteam

Die Entstehung einer Audiodeskription unterteilt sich in verschiedene Stufen. «Sobald die Programmplanung einen Schweizer Film auf einen Hauptsendeplatz einrückt, sind wir in ‹Alarmbereitschaft›. Ab diesem Moment können wir die ganze Produktion aufgleisen», erläutert Hoffmann. Das Wichtigste ist dabei, das Beschreiberteam rechtzeitig anzufragen, denn in der Schweiz gibt es nur eine Handvoll Leute, welche die nötige Ausbildung dafür haben. Ein Beschreiberteam besteht immer aus zwei sehenden Beschreibern und einem Sehbehinderten oder Blinden. In der Schweiz ist Urs Lüscher der einzige Sehbehinderte, der die entsprechende Ausbildung beim bayrischen Rundfunk absolviert hat. «Das Bedürfnis der Betroffenen wurde grösser, auch Hörfilme in Mundart hören zu können. Daraufhin hat sich SRF dazu entschlossen, ein Autorenteam zu bilden. Dafür wurde ebenfalls eine «betroffene» Person gesucht und die Anfrage gelangte zu mir», sagt Urs Lüscher.

Nicht ganz einfach

Die beiden sehenden Personen schauen den Film mehrmals im Vorfeld an und schreiben sich dabei beschreibungsrelevante Dinge raus. Anschliessend treffen sie sich mit dem Sehbehinderten, um ihm den Film zu beschreiben. Durch seine Inputs ist es möglich, einen Film 100% so zu deskribieren, dass er anschliessend für jeden Sehbehinderten und Blinden verständlich ist. Während der Beschreibung ergeben sich für das Team verschiedene Schwierigkeiten: «Die grösste Herausforderung ist es, die Handlung so zu beschreiben, dass sie in den kurzen Fenstern zwischen den Dialogen Platz hat», erzählt Lüscher aus Erfahrung. Das Ganze wird zusätzlich durch gewisse Regeln erschwert: Die Deskription darf weder wertend noch interpretierend sein und muss Antworten auf die Fragen «Wer», «Wo» und «Was» geben. Insgesamt dauert die Deskription etwa 10-16 Tage.

Wie weiter?

Nachdem das Beschreiberteam mit seiner Arbeit fertig ist und das vollständig deskribierte Skript vor sich hat, geht die Arbeit bei Stefan Hoffmann weiter. Er redigiert den gesamten Hörfilm noch einmal und kann durch seine Aussenperspektive noch zusätzliche Inputs geben. Damit dieses Skript zum Sendetermin auf dem zweiten Tonkanal in einer Hörfilmfassung verfügbar ist, muss die Audiodeskription noch von einer Sprecherin oder einem Sprecher vertont werden. Während dieser Vertonung werden meist auch noch kleine Änderungen vorgenommen. Zum Beispiel wenn merkt, dass eine Erklärung zu lang ist und nicht in das Zeitfenster passt.


Hörfilme – wie hören sich diese an? Play SRF bietet dir eine Übersicht mit allen produzierten Hörfilmen.


Text: Cinja Köhler
Bilder: Viviane Aubert

Tags: accessibility barrierefreiheit

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