«Nachgefragt»: Wie funktionieren Liveticker in Krisensituationen?

Wir wollen gut informiert sein – am liebsten zeitnah, kompakt und aus verlässlichen Quellen. All dies – und noch mehr – bieten uns Liveticker. Benedikt Widmer, Fachbereichsleiter «Live» bei SRF News, hat mit uns über die Herausforderungen und den Reiz beim Livetickern gesprochen.

Der Liveticker komme eigentlich aus dem Sportjournalismus – doch spätestens seit der Atomkatastrophe in Fukushima 2011 habe sich diese Nachrichtenform auch im Newsjournalismus etabliert, erklärt Benedikt. Damals fehlten aber noch oft Einordnungen der Ereignisse durch Experten und Fachredaktoren. Mittlerweile sind diese fester Bestandteil von Livetickern. Dazu gehört der enge Kontakt mit Korrespondenten vor Ort sowie mit Radio- und TV-Redaktionen.
«In einen idealen Ticker sind sieben bis acht Leute involviert», so Benedikt. Zwei schreiben, jemand kontrolliert die Texte, ein bis zwei Leute haben die sozialen Plattformen auf dem Radar, jemand anderes ist für den Rahmenartikel zuständig – und passt laufend Titel und Lead an. Und dann wären da noch zwei Videojournalisten, denn nebenbei muss meist auch noch ein Livestream organisiert werden. Diese Arbeitsteilung sei aber Wunschdenken, relativiert Benedikt: Im Normalfall arbeiten zwei bis vier Mitarbeiter an einem Ticker. «Mehr liegt personell nicht drin.»

Wann wird getickert?

Bei Breaking News wird jeweils ad hoc entschieden, ob ein Liveticker aufgeschaltet wird oder nicht. Dies erfordert viel Flexibilität und – ganz wichtig – eine gute Koordination sowie ein eingespieltes Team. «Es gibt News, bei denen sofort klar ist: Jetzt müssen wir einen Ticker aufschalten», erklärt Benedikt. Dazu gehörte beispielsweise auch der Anschlag in Nizza im Juli 2016. Manchmal werde jedoch ein normaler Artikel aufgesetzt und erst in einem zweiten Schritt entschieden, ob man in einen Ticker übergehe. Dies kann bei Erdbeben der Fall sein, wo erst nach und nach ersichtlich wird, wie hoch der Schaden wirklich ist.

Und wann gibt's Pushmeldungen?

Bei Breaking News geht der Ticker Hand in Hand mit Pushmeldungen. Zuerst gibt es einen oder mehrere Pushes zu den Breaking News, in einem weiteren Schritt werde ein «Ticker-Promopush» abgesetzt, damit der User informiert ist, dass nun ein Liveticker startet. Bei wichtigen, neuen Erkenntnissen werden weitere Pushes versendet und wenn möglich auf den Liveticker hingewiesen.

Multimediale Ticker

Mit Bulletpoints wird das Wichtigste, was man bislang zu den Breaking News weiss, in aller Kürze zusammengefasst. Die Bulletpoints stehen stets zuoberst im Artikel. Denn: Der User muss jederzeit in den Ticker einsteigen können. Zu einem besseren Überblick tragen auch Infografiken, Zitate, Bilder und Videosequenzen bei. «Grundsätzlich halten wir uns an das Zwei-Quellen-Prinzip. Wir berichten auch im Ticker erst über Ereignisse, wenn die News von zwei voneinander unabhängigen Quellen bestätigt werden», sagt Benedikt. Wenn für einmal keine zweite Quelle zur Verfügung stehe, so sei es besonders wichtig, den verbreiteten Inhalt sorgfältig auszuweisen und transparent zu kommunizieren, woher die Information oder der (multimediale) Inhalt stammt. Auch bei Social Media-Inhalten ist Vorsicht geboten: Mithilfe von Tools wie Storyful und eigenen Plausibilitätsanalysen wird dieser vor der Publikation im Ticker verifiziert.

Der Reiz des Nicht-Planbaren

Als Journalist muss man eine dicke Haut haben: Videos und Bilder von Newsagenturen oder Augenzeugen – eines Anschlags beispielsweise – prasseln ungefiltert auf einen ein. Das Material muss gesichtet und sortiert werden – das gehe einem schon sehr nahe. Für Benedikt ist das Livetickern in Krisensituationen eine Königsform des Journalismus. Denn zwischen dem Ereignis und der Berichterstattung gibt es praktisch keine Zeitverzögerung. Trotz allem stehe die Schnelligkeit der Berichterstattung bei SRF News nie über der Qualität. Und doch: «Wir Newsjournalisten sind neugierige Menschen und der Reiz steckt im Nicht-Planbaren.»

Text: Laura Clauderotti
Bild: Printscreen Website srf.ch

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