«Auch Nicht-Religiöse schätzen unseren Zugang zum Thema»

Wenn am Sonntag ein Pfarrer im Radio predigt, ist die Fachredaktion Religion dafür verantwortlich. Doch ihr Aufgabenbereich geht weit über spirituelle Sendungen hinaus. Judith Wipfler, Teamleiterin Fachredaktion Religion Radio bei SRF, erklärt, wieso ihr Team so gefragt ist wie noch nie und wieso Muslime bis jetzt nicht am Radio predigen.

SRG Insider: Wieso braucht es religiöse Sendungen im Radio?
Judith Wipfler: Man muss zwischen religiösen Sendungen und Sendungen über Religion unterscheiden. In religiösen Sendungen wird Religion praktiziert, zum Beispiel die Radiopredigt oder die Übertragung des Gottesdienstes. Der Löwenanteil unserer Sendungen sind jedoch journalistische Sendungen über Religion wie Berichterstattungen, Analysen oder Wissensvermittlung – vergleichbar mit einer Wirtschaftsredaktion.

Ihr Zielpublikum sind also nicht «nur» religiöse Menschen?
Nein, unsere Sendungen hören Menschen, welche sich kulturell, historisch oder politisch für Religionen interessieren. Natürlich zählen dazu auch religiöse Menschen, aber ich weiss von Hörern, die zwar Agnostiker sind – also die Frage nach Gott für nicht wichtig halten – aber unseren journalistischen Zugang zum Thema Religion schätzen.

Ist der Bedarf nach solchen Sendungen, im Hinblick auch auf die leeren Gotteshäuser, wirklich da?
Der Bedarf ist sicher da, das zeigen auch die häufigen Anfragen von anderen Redaktionen: «Was ist genau der Unterschied zwischen Schiiten und Sunniten?» oder «Was hat es mit der Vertreibung der Jesiden auf sich?». Das Bedürfnis nach fachkompetenter Vermittlung ist riesig, gerade auch durch die Säkularisierung ist dieses Wissen vieler Orts nicht mehr vorhanden.

Wieso kann diese Aufgabe nicht ein Privatradio oder eine Zeitung übernehmen?
Weil es in anderen Medien keine Fachredaktion Religion gibt, dies hat übrigens auch eine gross angelegte Studie des Nationalfonds ergeben. Dies ist erstaunlich, beobachtet man doch die aktuellen Konflikte in der Welt. Unsere Fachredaktion hingegen vereint Mitarbeiterinnen, die über eine fundierte Ausbildung verfügen oder gar arabisch sprechen, um kompetent über diese Themen berichten zu können.

Wie entscheidet sich, welche Religion Platz im Programm bekommt?
Wir wenden die üblichen journalistischen Kriterien wie Relevanz, Aktualität oder den Schweizbezug an. Bei unseren eigenen Sendungen schauen wir natürlich, dass eine Ausgewogenheit herrscht zwischen den verschiedenen Konfessionen und dass auch kleinere Religionen im Programm Platz finden.

Gerade Gottesdiensten dürfen aber nur die Landeskirchen übertragen. Wieso das?
SRF hat eine Vereinbarung mit den drei Landeskirchen abgeschlossen, was die Ko-Produktionen im Radio und Fernsehen angehen. Dabei handelt es sich nur um zwei Radiosendungen, den Radiogottesdienst sowie die Radiopredigt. Natürlich fragen uns immer wieder Hörer, ob dies noch zeitgemäss ist und nicht zum Beispiel Muslime auch einen Platz im Programm erhalten sollen.

Und sollten sie?
Bis anhin wurde diese Anfrage nicht konkret gestellt. Die kleineren religiösen Gemeinschaften in der Schweiz sind meist nicht unter einem Dach zusammengefasst. Es gibt also schon gar nicht eine Person, die für alle sprechen könnte. Bei der jüdischen Gemeinschaft zum Beispiel bestand das Interesse bis jetzt gar nicht. Sie erreichen ihre Mitglieder effektiver über ihre eigenen Kanäle. Die Wahl der Landeskirche bildet aber sicher auch ein Mehrheitsverhältnis ab.

Eure Sendungen laufen auf Sendern mit älterem Zielpublikum wie «SRF1», «SRF Musikwelle» oder «SRF2 Kultur». Muss man die Jugend nicht erreichen?
Das ist in der Tat schade. Ab und zu fragt «Zambo» oder «SRF Virus» nach, wenn es um musikalische Themen vermischt mit Religion geht. Natürlich stellen sich Jugendliche die gleichen Fragen nach Spiritualität, nach den verschiedenen Glaubensrichtungen, dem Islam oder dem Jihad. Ein festes Gefäss gibt es aber leider nicht.

Judith Wipfler (42) ist seit 15 Jahren bei SRF tätig, seit 2 Jahren leitet sie die Fachredaktion Religion Radio. Wenn sie nicht in Israel ihr Hebräisch am Aufbessern ist, spielt sie leidenschaftlich Querflöte, Klavier – oder mit Katzen.

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